10 grenzwertige Fragen an Susi Krauseneck
- VERENAHELBING
- 27. Juli
- 4 Min. Lesezeit

Susi ist Medien- und Kommunikations-Trainerin, Moderatorin, Dozentin. Ihre Schwerpunkte im Trainings- und Coachingbereich sind Medien- und Krisenkommunikation, Storytelling, Leadership. Als Bühnen-Moderatorin und Dialogprofi führt sie außerdem analog wie digital durch Pressekonferenzen, Führungskräfte-Tagungen, Messen und Podiumsdiskussionen.
Ich kennen Susi aus einem Trainerinnennetzwerk und mochte ihr unkomplizierte, offene und lustige Art auf Anhieb. Ihre innere Größe und die Tiefe Ihrer Reflektiertheit erlebe ich bei jeder Begegnung mit ihr mehr.
Was ist deine erste Assoziation zum Begriff „Grenze“? Grenze ist für mich in erster Linie mit Selbstfürsorge und Selbstbewusstsein verbunden. Wer sich seiner selbst bewusst ist, kennt seine Grenzen, kann sie nach außen kommunizieren – und erkennt im besten Fall auch die der Menschen in seinem Umfeld. Wer für sich selbst sorgt, kann seine Grenzen wahren.
Wo oder wie erlebst du deine eigene Grenze/Grenzen in deinem Leben? Ich erlebe meine Grenzen im Prinzip täglich – weil ich mir ihrer bewusst bin oder werde. Das heißt aber nicht, dass ich sie immer direkt spüre, wenn sie überschritten werden. Manchmal warnen mich Wut oder Angst vor Grenzüberschreitungen. Dann ist es Zeit zu reflektieren: Was steckt hinter meinen Gefühlen? Denn hinter Grenzen und Emotionen liegen oft eigene Werte, starke Bedürfnisse – oder Kindheitsprägungen wie alte Glaubenssätze. Die darf man ruhig auch mal hinterfragen – und gegebenenfalls über Bord werfen. Schon gibt es eine Grenze weniger – und man wird deutlich entspannter.
Ich bin überzeugt davon, dass es nicht darum geht, Grenzen zu setzen, sondern sie erstmal selbst zu spüren und zu akzeptieren, um sie dann wahren zu können. Wo in deinem Körper spürst du es, wenn deine Grenze überschritten wird? Krasse Grenzüberschreitungen spüre ich im Bauch und im Herzen. Magenprobleme und Herzrasen begleiten mich seit meiner Kindheit – immer dann, wenn meine Grenzen übertreten werden. Früher habe ich auch oft selbst meine eigenen Grenzen überschritten, bevor ich mir ihrer überhaupt bewusst war. Ungeduld oder Genervtsein sind beispielsweise frühe Hinweise darauf, dass man sich an oder über einer Grenze befindet. An sich zu arbeiten kann auch manchmal bedeuten, dass sich Grenzen auflösen. Andere wiederum sind, bleiben oder werden nicht verhandelbar.
Ist dein Zugang zu deinen eigenen Grenzen intuitiv oder musstest du dir den erarbeiten? Ich habe oft intuitiv richtig reagiert – aber ohne das Bewusstsein über meine Grenzen. Das musste ich mir erarbeiten. Wenn sich bestimmte Probleme im Leben immer wiederholen, will dir das Leben etwas sagen: Da ist noch etwas nicht gelöst. Ich wollte diese Dinge irgendwann lösen – und habe angefangen, vieles zu hinterfragen: Warum reagiere ich immer gleich? Warum triggern mich bestimmte Verhaltensweisen so stark? Warum ziehe ich mich manchmal panisch zurück?
Als gelernte Journalistin habe ich mich einfach auf Recherche begeben – und durch meine Arbeit als Kommunikationstrainerin mit systemischer Ausbildung habe ich viel über mich selbst und das Thema „Grenzen“ gelernt. Heute kenne ich mich ganz gut – lerne aber immer noch dazu.
Spielregeln können Sicherheit geben. Welche Spielregeln helfen dir, deine eigenen Grenzen zu wahren oder die anderer?
Eine meiner wichtigsten Spielregeln: „Nein“ sagen ohne schlechtes Gewissen.
Vor allem Frauen fällt das schwer, weil sie oft zur Anpassung erzogen wurden. Ein Nein ist gesellschaftlich häufig ein Affront: „Hat sie gerade wirklich Nein gesagt?“ Doch andere können unsere Grenzen nicht kennen – umso wichtiger ist es, dass wir sie selbst erkennen und wahren.
In gesunden Beziehungen – egal ob privat oder beruflich – sollte man auch die Grenzen anderer kennen und respektieren. Im besten Fall versteht man sogar, warum es für die andere Person eine Grenze ist. Das verhindert viele Missverständnisse. Es braucht dafür übrigens nicht unbedingt Verständnis – sondern in erster Linie Akzeptanz. Ich muss nicht verstehen, warum mein*e Partner*in am Wochenende lieber allein ist, statt feiern zu gehen. Aber ich muss es akzeptieren – denn es ist ihre/seine Grenze oder ihr/sein Bedürfnis.
Grenzüberschreitung im Job. Was fällt Dir dazu ein? Mobbing, cholerische Vorgesetzte, Lästereien, toxische WhatsApp-Gruppen, ständige Erreichbarkeit, Perfektionismus, Überforderung – das alles sind Grenzüberschreitungen, die viele im Job täglich erleben. Die Burnout-Zahlen und Krankmeldungen steigen, die Krankenkassen schlagen längst Alarm. Da wir oft mehr Zeit im Job verbringen als zu Hause, ist es besonders wichtig, rechtzeitig zu erkennen, wann Grenzen überschritten werden – und zu handeln, bevor die Gesundheit leidet. Überschrittene Grenzen sind oft solche, die nicht gewahrt wurden.
Ich wahre meine Grenze, indem ich... …mich täglich um mich selbst kümmere – durch Reflexion, Achtsamkeit und eine gesunde Kommunikation. Und dazu gehört eben auch, mal „Nein“ zu sagen.
Ich wahre die Grenzen anderer, indem ich... …durch Empathie, aktives Zuhören und gezieltes Nachfragen herausfinde, wo ihre Grenzen liegen – und sie dann respektiere. Wichtig dabei: Die Grenze des anderen sollte nicht zu meinem dauerhaften Nachteil werden – auch hier braucht es eine gesunde Balance.
Wie reagierst du, wenn du mitbekommst, dass die Grenze anderer überschritten wird? Das hängt stark vom Kontext ab. Manche Situationen laden zu einem offenen Gespräch ein – andere sind heikel. Manche Menschen empfinden tieferes Nachfragen schon als neugierig oder übergriffig. Wer seine eigenen Grenzen nicht kennt, kennt oft auch seine Bedürfnisse nicht. Nachfragen kann dann schnell sehr persönlich werden – besonders unter Kolleg*innen. Bei einem direkten Gespräch braucht es Vertrauen, Empathie und Fingerspitzengefühl, um die Grenzen der anderen zu erkennen.
Dabei gehe ich eher systemisch und fragend vor – weniger Rat gebend. Denn den Weg, hinter Grenzüberschreitungen die eigenen Bedürfnisse zu entdecken, muss jeder selbst gehen.
Wie sähe unsere Arbeitswelt aus, wenn es keine Grenzüberschreitungen mehr gäbe?
Dann wäre sie vermutlich arm – weil wir nichts mehr lernen würden. Dauerhafte Grenzüberschreitungen wären natürlich auch keine Lösung. Aber ich halte Grenzerfahrungen grundsätzlich für wichtig, um sich selbst kennenzulernen und zu wachsen. Bedürfnisse und Grenzen verändern sich. Es ist ganz normal, dass sie mal übertreten werden – gerade weil wir so unterschiedlich sind.
Was für den einen Erholung ist, ist für den anderen Stress pur. Hinter Grenzüberschreitungen steckt nicht immer Absicht oder ein System. Wir können nicht wissen, wo die Grenzen der anderen liegen – es sei denn, sie sagen es uns. Für mich geht es um eine gesunde Haltung zu sich selbst, um Respekt und Empathie – und um eine reflektierte Kommunikation. Daran können wir arbeiten. Und das würde die Arbeitswelt definitiv zu einer besseren machen.
Hier findest Du Susi im Internet: